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Herbstliche Herausforderungen: Einblicke in den Praxisalltag und das Gesundheitswesen im Wandel

Es ist inzwischen Mitte Oktober und auch schon tüchtig kalt geworden. Der Sommer hat mit einem Schlag geendet, so ziemlich zeitgleich mit den Schulferien.

Wir sind dann seit Wochen wieder ordentlich am Arbeiten. Die Grippewellen steigen an, und sowohl die Patienten als auch das Personal sind tüchtig betroffen. Noch hält sich das Ganze aber in Grenzen, es gibt keine kritischen Ausfälle und auch keine lebensgefährlichen Situationen bisher.

Immer wieder kommt die Frage auf: Covid-Impfung ja oder nein? Ich denke, das muss man dann individuell besprechen, da gibt es natürlich Empfehlungen von der STIKO, aber der Virustyp ist aktuell sehr brav und nicht mehr jeder braucht eine Covid-Impfung.

Aber die Grippeimpfungen, gegen Influenza, die können die gefährlichen Krankheitsraten wirklich runterdrücken, das ist absolut zu empfehlen, ab 60 oder auch früher, wenn Erkrankungen bestehen, oder wenn man mit vielen Menschen zusammenkommt. Spanische Grippe nannte man das früher. 1918 bis 1920 starben hier weltweit 20 bis 50 Millionen Menschen. Das ist schon wirklich viel, denke ich mir, und damals waren es auch jüngere Menschen, wahrscheinlich wegen der schlechten Immunlage ... und heute eben die Senioren.

Die Leute sind klar impfmüde geworden durch die Coronageschichte ... kann man verstehen, aber interessant ist das schon, weil die etablierten Impfungen seit Jahren anerkannt sind und die Menschen wirklich ein hohes Risiko eingehen, wenn sie da ganz viel ablehnen ...

Gerade habe ich wieder von einem Bekannten erfahren, Mitte 50, sportlich, zäh ... gewesen ... jetzt schwere Hirnhautentzündung nach einem Zeckenbiss. Er überlebt wohl und kämpft darum, wieder selbst atmen zu können ... Tja, wir erleben viele solche Sachen über’s Jahr ... muss ja jeder selbst wissen, aber ich bekomme da immer wieder mal Gänsehaut ...

Inzwischen scheint unser Gesundheitswesen weiter den Bach runter zu gehen, die DAK ist im Streit mit der Bundesregierung und möglicherweise bald nicht mehr zahlungsfähig. Die Pflegeversicherung legt 2025 mit möglicher Zahlungsunfähigkeit nach. Da ist dann wohl mit tüchtigen Erhöhungen der Beiträge zu rechnen. Na dann Prost Mahlzeit.

Ist wohl bald Schluss mit Steuergeschenken ... Da werden die Politiker wohl versuchen, vom braven Bürger noch etwas zu bekommen ... Ich hoffe nur, es wird das Konjunkturpaket und nicht die Reichensteuer ... die USA hat nämlich einen langen roten Teppich und eine super Infrastruktur für die ganzen gefrusteten deutschen Unternehmen mit ihren Unternehmern.

Lernt man so etwas eigentlich in der Schule? Oder wie bereitet sich eigentlich ein junger Mensch darauf vor, zur Wahl zu gehen? Naja, haben wir mal Vertrauen ...

Derweil kämpfen wir mit Medikamentenbeschaffung, elektronischer Patientenakte und sonstigen bürokratischen Hürden ... Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ... na, das ist mal ein schlagender Begriff ... Da denk ich mir doch frei nach Asterix: ... die spinnen, die Römer ...

Hat uns dann im Jahr mal über 100.000 Euro gekostet, die tolle Idee, und ich frage mich echt, wen soll das denn jetzt stärken, wenn man sein Personal nicht mehr zahlen kann? Die Hausbesuche sind quotiert auf 17,8 %, ca. 3,50 Euro jetzt noch. Dasselbe mit relevanten und meist langen psychologischen Gesprächen ...

Quotierung als Begriff ist mal wieder „klasse“ eingesetzt ... Es wird gezahlt, es sei halt kein Geld mehr im Topf ... war aber natürlich in den letzten 15 Jahren nie der Fall, doch wegen der Wichtigkeit der Basisversorgung wurde hier, wie bei der Rente auch ... immer dazugegeben. Am schönsten ist die Quotierung auf den Patientenzuwachs. Der darf pro Arzt, glaube ich, nicht über 2 % liegen ... ganz ehrlich ... in der Begründung steht wegen der Konkurrenzsituation zu den umliegenden Kollegen ...

Also wir sind hier mehr kleinstädtisch und auf dem Land; bei uns stehen die Zeitungen immer wieder voll von Artikeln, die teils dramatische Zustände im Bereich der hausärztlichen Unterversorgung aufzeigen. Schon irgendwie perfide, solche Entscheidungen in diesem Zusammenhang. Kann man unseren Minister eigentlich mal buchen? Einfach nur mal für wenige Tage zum Mitlaufen? Zum Realitätssinn schärfen ... ich hätte da so einiges zu besprechen.

Und wenn jetzt doch 39 % der Hausärzte in BW über 60 Jahre alt sind, so der Stand Juli 2024, wieso sollte so ein Alterskollege auch noch einen Tag länger arbeiten, für Gefährdung der Umsätze, der Personalgehälter und der eigenen Rente ... habe ich nicht verstanden, werde ich nicht verstehen ... finde ich echt unehrlich.

Wir haben unsere Schlüsse daraus gezogen, einige Gegenmaßnahmen anlaufen lassen, um die Betriebe zu stabilisieren und das Personal weiter zahlen zu können. Dauert allerdings sicher ein Jahr, bis die Geschichte ausgebügelt ist. Und unser Plan einer besseren Vernetzung und Außenversorgung von Menschen durch Praxismitarbeiter ist gerade wieder eingestampft worden. Keine Neueinstellungen, kaum Hausbesuche ... wie auch?

Ist dann irgendwie auch wieder schade, aber scheinbar müssen die Menschen spüren, dass vieles nicht mehr selbstverständlich ist in unserem Land. Ob das mit einem Regierungswechsel alles gelöst werden kann, da bin ich mir nicht so sicher. Aber, soll ja immer alles besser werden ...

Und so leben wir mit unseren Sörglein und Problemen, wie jeder andere in diesem Lande auch.

In der Sprechstunde sitzt eine Dame um die 60, die ich vor wenigen Wochen gesehen habe, und ich habe den Faden noch nicht gefunden ... Ich weiß, es war bedeutend, aber irgendwie auch noch unklar. Ich frage also, wie die letzten Wochen so gelaufen sind. Und sie berichtet mir, dass mit dem Medikamentenwechsel der Puls um 5-10 Punkte runtergekommen sei, aber immer noch bei 90 liege. Gefällt mir dann überhaupt nicht, sie hat nämlich schon eine volle Dosierung Betablocker. Was ist hier los? Richtiger Rhythmus.

Eine Knieoperation war vor 3 Monaten, sie hat das Rauchen aufgehört und dadurch über 5 kg Gewicht zugenommen, sie beklagt jetzt Luftnot und eben diesen schnellen Puls. Ich schaue meine Unterlagen durch, OP-Unterlagen ... und nichts will so richtig passen, die Problematik tritt doch erst seit wenigen Wochen auf. Ich denke noch, nur dass wir hier nichts übersehen.

Dann schaue ich nochmal auf die Patientin. Geschätzte 120 kg. Was jetzt? Ich brauche einen Status vom Herz. Eigentlich klare Überweisung ... aber 6 Monate Wartezeit ... Oder Krankenhaus? Na, ich höre die Kollegen schon ... Noch 15 Minuten ... ist nicht meine Aufgabe als Hausarzt ... aber weiterkommen muss man ja schon. Also sage ich: „Bitte oben rum freimachen, dann geht’s auf die Liege.“

Die Echokardiographie führe ich unter Aufbietung all meiner Kraft durch, bis ich so gute Bilder bekomme, dass ich alles verwerten kann. Keine bedeutende Lungenembolie, aber eine leichte Mitralstenose mit mittlerem Druck um 5 mbar. Sollte es aber nicht erklären, der Vorhof ist auch noch normal groß. Keine Rhythmusstörung.

Wir vereinbaren dann doch noch eine erneute Blutentnahme, um eine kleinere Lungenembolie ausschließen zu können und besprechen Gewichtsabnahme, Trinkmenge und Rückmeldung in den nächsten Wochen. Dazu auch immer die Ansage: „Wenn etwas schlechter wird, bitte sofort melden.“ Da bin ich mal gespannt, was daraus wird. Die letzten Laborwerte waren ja tiptop gewesen, daher ist eigentlich nichts zu holen.

Mein Arm tut noch weh vom Drücken durch den kräftigen Körper, aber stolz bin ich ja dann doch, dass ich unter schwierigsten Bedingungen eine echt saubere Beurteilung hinbekommen habe.

Der Rest der Sprechstunde schnurrt dann eigentlich auch gut durch, dies und das, aber nichts Dramatisches. So gegen Mittag kommt meine Kollegin auf mich zu und lächelt mich an. Prinzipiell ist das auch nett, aber in dem Fall bedeutet es leider einen Hausbesuch für mich, weil sie noch so viel auf dem Tisch liegen hat. Naja, sie macht ja auch immer viel für mich.

Da muss das Mittagessen halt noch warten ...

Ich fahre also zu der Patientin und deren Familie, habe noch einige Schwierigkeiten, das Haus zu finden, dann werde ich aber schon durch ein Fenster begrüßt und eingelassen.

Man kommt mit der alten dementen Dame nicht mehr so gut zurecht, seitdem sie vor kurzem im Krankenhaus war und sich den Ellenbogen gebrochen hat. Der Blutdruck geht in die Höhe, die Pflege funktioniert nicht mehr, weil die Patientin dagegen arbeitet, und in der Nacht ist auch keine Ruhe.

Als klassischer Krankenhausmediziner war ich früher natürlich davon überzeugt, alles mit Medikamenten zu regeln. Erstaunlich ist, dass ich heute eher froh bin, wenn ich Medikamente einsparen kann. Das heißt nicht, dass es keine Medikamente gibt, wenn man sie braucht, aber ich bilde die Menschen immer mehr in den Möglichkeiten aus, die es so noch gibt.

Und so höre ich mir die Geschichte an, was im Krankenhaus gelaufen ist, und das waren wohl auch echt traumatisierende Ereignisse. Nicht, dass etwas total falsch gelaufen sei, aber bei der Situation unserer Krankenhäuser gibt es echte Schwierigkeiten in der Pflege, da muss es funktionieren, irgendwie, da ist wenig Zeit und bei aller Aufopferung der Schwestern niemals diese Ruhe und Gelassenheit wie zu Hause.

Habe dann auch mit der Familie Ideen und Lösungen besprochen, habe über das Streicheln der Oma und bewusstes Anlächeln gesprochen, Teddybär im Arm, Ablenkungen, Wärme, Musik, Gerüche und so weiter, wie man mit dementen Patienten eben am besten umgehen kann.

Wir haben Lagerungsmaßnahmen für die Nacht erwogen und pflanzliche Unterstützungen besprochen. Das gibt der Familie dann auch wieder Mut, sie kann die Ideen in Fürsorge für die alte Dame umsetzen; und ich könnte mir vorstellen, dass das auch funktioniert. Natürlich sage ich der Tochter: „Das probieren Sie jetzt ein paar Tage, und wenn es nicht klappt, melden Sie sich, dann machen wir das mit den Medikamenten.“

Da bin ich mal gespannt, aber das kann ja so oder so ausgehen.

Aber jetzt erstmal Mittagessen, am Nachmittag geht es ja dann weiter, und in der Regel ist die offiziell angesetzte Arbeitszeit niemals die wirkliche Arbeitszeit.

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